In den vergangenen zwanzig Jahren hat sich die Anzahl der neuen Betreuerbestellungsverfahren mehr als verdreifacht. Im Jahr 2009 gab es bundesweit 250.528 Verfahren dieser Art, wohingegen es knapp zwanzig Jahre früher im Jahr 1992 vergleichsweise weniger, nämlich nur 75.170 (alte Bundesländer) Betreuerbestellungsverfahren gegeben hatte. In Bremen erfolgten im Jahr 2009 je 10.000 Einwohner durchschnittlich 150 Betreuungsverfahren. Bremen liegt damit gleich auf zu Bayern (ebenfalls 150 Betreuungsverfahren) aber weit vor Baden-Würtemberg (101 Betreuungsverfahren) und klar hinter Mecklenburg-Vorpommern (201 Betreuungsverfahren).
Angesichts einer stetig steigenden Lebenserwartung und der sich verändernden Altersstruktur unserer Bevölkerung einerseits sowie einer Abkehr vom klassischen Familienbild und einer sich in Anbetracht des technischen Fortschritts wandelnden Umwelt andererseits (hier sei nur beispielhaft das Zahlen mit dem Smartphone an der Kasse oder die Abgabe der Steuererklärung via Internet / ELSTER genannt), ist damit zu rechnen, dass sich der Durchschnittswert für Betreuungsverfahren zukünftig weitererhöhen wird.
Wie kommt es überhaupt dazu, dass ein rechtlicher Betreuer bestellt wird?
Gesetzliche Grundlage für die Einrichtung einer Betreuung und damit der Bestellung eines rechtlichen Betreuers ist das Bürgerliche Gesetzbuch BGB. Gemäß § 1896 BGB bestellt das Betreuungsgericht auf Antrag oder von Amts wegen einen rechtlichen Betreuer, wenn ein Volljähriger auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann. Gegen den freien Willen des Volljährigen darf ein rechtlicher Betreuer nicht bestellt werden. Das Gesetz sieht demnach verschiedene Voraussetzungen vor, ohne deren Erfüllung eine rechtliche Betreuung nicht eingerichtet werden kann. Angesichts des erheblichen Eingriffs in das Leben und die Rechte des Betroffenen der mit der Einrichtung einer rechtlichen Betreuung verbunden ist, ist dies auch richtig und konsequent.
Notwendige Voraussetzungen für die Bestellung eines rechtlichen Betreuers sind also:
- das Vorliegen einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung
- die Unfähigkeit / das Unvermögen aufgrund der Erkrankung/Behinderung die eigenen Angelegenheiten ganz oder teilweise zu besorgen
- die Erforderlichkeit der Betreuerbestellung mangels vergleichbarer anderer Hilfen durch Familie, Freunde oder Nachbarn bzw. mangels Vorhandensein einer entsprechenden Vollmacht
- bei der Einrichtung einer Betreuung gegen den Willen des Betroffenen zusätzlich die Unfähigkeit des Betroffenen, im erforderlichen Betreuungsbereich / Aufgabenkreis seinen Willen frei bestimmen zu können.
Das Betreuungsgericht prüft mit Unterstützung der Betreuungsbehörde und unter Zuhilfenahme von Sachverständigen ob diese Voraussetzungen auch tatsächlich vorliegen. Weiterer Beteiligte an dem Betreuerbestellungsverfahren kann zudem auch der Verfahrenspfleger sein, der vom Betreuungsgericht zu bestellen ist, wenn dies zur Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen erforderlich ist.
Wer kommt als rechtlicher Betreuer in Betracht?
Das Bürgerliche Gesetzbuch BGB sieht vor, dass das Betreuungsgericht eine Person zum Betreuer bestellt, die geeignet ist, in den vom Betreuungsgericht übertragenen Aufgabenkreisen die Angelegenheiten des Betreuten rechtlich zu besorgen und den Betroffenen in dem hierfür erforderlichen Umfang persönlich zu betreuen. Ob eine Person entsprechend geeignet ist, wird vom Betreuungsgericht geprüft. Der Betroffene kann eine geeignete Person vorschlagen. Das Betreuungsgericht kann aber auch eigenständig eine mitunter von der Betreuungsbehörde vorgeschlagene Person zum Betreuer bestellen. Schlägt der Betroffene eine bestimmte Person, also zum Beispiel den Ehepartner, sein Kind oder einen Freund als seinen zukünftigen rechtlichen Betreuer vor, so hat das Betreuungsgericht diesem Vorschlag zu folgen, wenn dies dem Wohl des Betroffenen nicht zuwiderläuft. Es kann also durchaus vorkommen, dass die von einem Betroffenen als rechtlicher Betreuer vorgeschlagene Person, beispielsweise ein Familienmitglied, nicht vom Betreuungsgericht bestellt wird, da diese Person nach Auffassung des Gerichts nicht dem Wohle des Betreuten entspricht. Ein Beispiel wäre insoweit das Vorliegen einer Interessenkollision (Streit mit den Geschwistern, Streit über eine Erbauseinandersetzung) die letztlich dazu führen kann, dass ein Familienmitglied, wenn auch unbewusst, nicht die objektiven Interessen des Betroffenen wahrnimmt. Um hier sowohl den Betroffenen als auch das Familienmitglied zu schützen, hat das Betreuungsgericht eine andere Person zum rechtlichen Betreuer zu bestellen. Schließlich hat das Betreuungsgericht auch den Wunsch des Betroffenen zu berücksichtigen, wenn dieser eine ganz bestimmte Person als rechtlichen Betreuer ablehnt. Das Betreuungsgericht darf dann diese vom Betroffenen benannte Person nicht zum Betreuer bestellen.
Kommt weder eine vom Betroffenen vorgeschlagene Person, oder eine andere Person aus dem verwandtschaftlichen oder weiteren Umfeld des Betroffenen, beispielsweise Eltern, Kinder, Ehegatten, Lebenspartner, in Betracht, ist vom Betreuungsgericht zunächst zu prüfen, ob die rechtliche Betreuung durch einen ehrenamtlichen Betreuer übernommen werden kann. Ist dies nicht der Fall, oder bedarf es zur Durchführung der rechtlichen Betreuung besonderer Fachkenntnisse, kommt die Bestellung eines professionellen Einzelbetreuers aus Verein, Freiberuf (beispielsweise ein Rechtsanwalt oder Steuerberater) oder Behörde in Betracht. Denkbar ist es auch, dass das Betreuungsgericht mehrere rechtliche Betreuer für eine Person bestellt, wenn dies erforderlich sein sollte (dies ist aber die Ausnahme).
Was ist die Aufgabe des rechtlichen Betreuers?
Die rechtliche Betreuung umfasst alle Tätigkeiten, die erforderlich sind, um die Angelegenheiten des Betreuten nach Maßgabe der Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches rechtlich zu besorgen und den Betroffenen in dem hierfür erforderlichen Umfang persönlich zu betreuen. Die persönliche Betreuung bedeutet jedoch nicht, dass der rechtliche Betreuer sämtliche Hilfe im Alltag oder sogar die Pflege des Betreuten übernehmen soll. Der rechtliche Betreuer stellt vielmehr eine Art Unterstützer dar, der dem Betreuten zur Seite steht und diesem dabei hilft, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Kernbereich der Tätigkeit des rechtlichen Betreuers ist die rechtliche Vertretung des Betroffene im Rahmen der dem rechtlichen Betreuer übertragenen Aufgabenkreise. Die tatsächliche Hilfe und Betreuung soll der Betreuer gerade nicht übernehmen, sondern diese vielmehr im Interesse des Betroffene nach Maßgabe seines Wohls an entsprechende Träger delegieren. Aufgabe des rechtlichen Betreuers ist es auch nicht, dem Betreuten einen Ersatz für ein etwaig fehlendes soziales Umfeld, fehlende Freunde oder Bekannte zu bieten. Nicht zu Unrecht heißt es deshalb auch „rechtlicher Betreuer“ statt beispielsweise „Sozialbetreuer“. Dieser Unterschied wird jedoch in der Praxis leider allzu häufig vom Betreuten, der Familie des Betroffenen oder aber auch staatlichen Behörden und Institutionen verkannt.
Der rechtliche Betreuer hat die Angelegenheiten des Betreuten so zu besorgen, wie es dessen Wohl entspricht. Zum Wohl des Betreuten gehört auch die Möglichkeit, im Rahmen seiner Fähigkeiten sein Leben nach seinen eigenen Wünschen und Vorstellungen zu gestalten. Der rechtliche Betreuer hat den Wünschen des Betreuten zu entsprechen, soweit dies dessen Wohl nicht zuwiderläuft und dem rechtlichen Betreuer zuzumuten ist. Dies gilt selbst dann, wenn der Betreute geschäftsunfähig ist. Allerdings hat der rechtliche Betreuer neben den Wünschen des Betreuten zugleich auch die tatsächlichen Gegebenheiten zu berücksichtigen. Die Kunst des rechtlichen Betreuer ist es, hier einen gesunden Mittelweg zu finden, der sowohl dem Wohl, als auch den Wünschen des Betreuten gerecht wird. Deshalb hat der rechtliche Betreuer, bevor er wichtige Angelegenheiten für den Betreuten erledigt, diese mit dem Betreuten zu besprechen. Ausnahmsweise kann hiervon jedoch abgesehen werden, wenn dies dem Wohl des Betroffene zuwiderlaufen sollte.
Die Formen des Kontakts zwischen rechtlichen Betreuer und Betreuten sind vielschichtig und immer abhängig von den dem rechtlichen Betreuer übertragenen Aufgabenkreisen sowie der persönlichen Situation/den Wünschen des Betreuten. Häufigste Form des Kontakts sind Besuche des rechtlichen Betreuers beim Betreuten. Es ist aber durchaus auch denkbar, dass Betreuter und rechtlicher Betreuer über das Telefon, Internet oder per Post Kontakt miteinander halten. Wichtig ist jedenfalls der persönliche Kontakt, gleich welcher Art. Der rechtliche Betreuer kann nicht die Wünsche und Interessen des Betreuten wahrnehmen, ohne diesen, beziehungsweise dessen Vorlieben zu kennen. Der Gesetzgeber möchte eine anonyme Verwaltung des Betreuten durch den rechtlichen Betreuer „vom Schreibtisch aus“ verhindern.
In Bezug auf die Aufgabenkreise des rechtlichen Betreuers wird üblicherweise wie folgt unterschieden:
- Personensorge oder Gesundheitsfürsorge
- Aufenthaltsbestimmung
- Vermögenssorge
- Wohnungsangelegenheiten
- Rechts-, Antrags- und Behördenangelegenheiten
Was hat die Einrichtung einer rechtlichen Betreuung für Konsequenzen für den Betroffenen?
Entgegen weit verbreiteter Meinung führt die Bestellung eines rechtlichen Betreuers grundsätzlich gerade nicht dazu, dass der Betroffene geschäftsunfähig wird. Das bedeutet, dass der Betroffene grundsätzlich weiterhin selbständig im geschäftlichen Verkehr handeln kann. Der Betroffene ist also trotz Betreuung befähigt, rechtswirksame Verträge abzuschließen oder auch Anträge bei Behörden zu stellen. Besonderheiten bestehen allerdings dann, wenn das Betreuungsgericht einen Einwilligungsvorbehalt des Betreuers in einem bestimmten Aufgabenkreis angeordnet, oder sich der Betroffene im Moment der Abgabe einer Willenserklärung in einem die freie Willensbildung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befunden hat. Im ersteren Fall hängt die Wirksamkeit der Willenserklärung von der Einwilligung des rechtlichen Betreuers ab, im zweiten Fall ist die Willenserklärung nichtig und damit ein beispielsweise vom Betroffenen geschlossener Vertrag von Anfang an unwirksam.
Das Bürgerliche Gesetzbuch BGB bestimmt, dass der Betreuer den Betroffenen sowohl außergerichtlich, als auch gerichtlich vertritt. Der Betreuer wird damit zum gesetzlichen Vertreter des Betroffenen und kann dadurch den Betroffenen im Rahmen der ihm vom Betreuungsgericht übertragenen Aufgabenkreise mit Wirkung für und gegen den Betroffenen verpflichten. Dem Betreuer wird also Rechtsmacht gegeben, die Fremdbestimmung ermöglicht, so dass eine Betreuerbestellung nicht nur eine Fürsorgeentscheidung ist, sondern immer auch einen eingreifenden Charakter hat. Da der rechtliche Betreuer jedoch vom Betreuungsgericht und der Betreuungsbehörde kontrolliert wird, wird bzw. sollte ein rechtlicher Betreuer diese Rechtsmacht nicht missbrauchen.
Wann endet die Tätigkeit des rechtlichen Betreuers?
Die rechtliche Betreuung ist aufzuheben, wenn ihre Voraussetzungen wegfallen, also beispielsweise wenn der Betroffene wieder genesen und selbst wieder in der Lage ist, seine eigenen Angelegenheiten zu regeln. Fallen diese Voraussetzungen nur für einen Teil der Aufgaben des rechtlichen Betreuers weg, so sind die vom Betreuungsgericht übertragenen Aufgabenkreise entsprechend einzuschränken. Ist der rechtliche Betreuer ursprünglich auf Antrag des Betreuten und nicht auf Antrag der Betreuungsbehörde oder Dritter bestellt worden, ist die Betreuung auf Antrag des Betroffenen vom Betreuungsgericht aufzuheben, es sei denn, die rechtliche Betreuung ist nach Auffassung des Betreuungsgerichts weiterhin erforderlich. Über die Aufhebung der Betreuung hat das Betreuungsgericht spätestens sieben Jahre nach der Anordnung der Einrichtung der Betreuung zu entscheiden. In der Praxis hängt das Zeitintervall für eine entsprechende Prüfung jedoch vom Einzelfall ab und kann durchaus früher erfolgen. Der rechtliche Betreuer ist insoweit auch verpflichtet das Betreuungsgericht zu informieren, wenn ihm Umstände bekannt werden, die eine Aufhebung der Betreuung ermöglichen. Selbstverständlich können aber auch der Betreute selbst, oder Dritte beim Betreuungsgericht anregen, dass die Einrichtung der Betreuung vom Betreuungsgericht überprüft wird.
Das Betreuungsgericht hat den rechtlichen Betreuer zu entlassen, wenn seine Eignung, die Angelegenheiten des Betreuten zu besorgen, nicht mehr gewährleistet ist oder ein anderer wichtiger Grund für die Entlassung vorliegt. Diese Entlassung bedeutet für den Betreuten allerdings nicht, dass die rechtliche Betreuung ihr Ende findet, vielmehr hat das Betreuungsgericht, sofern die Voraussetzungen zur Einrichtung einer Betreuung weiterhin vorliegen, dem Betroffenen einen neuen rechtlichen Betreuer zu bestellen. Ein Wechsel des rechtlichen Betreuers soll auch dann erfolgen, wenn die Tätigkeit eines Berufsbetreuers nicht mehr erforderlich ist und der Betroffenen fortan von einem geeigneten ehrenamtlichen rechtlichen Betreuer betreut werden kann.
Schließlich endet die Tätigkeit des rechtlichen Betreuers, wenn der Betreute verstirbt.
Welche Kosten entstehen durch die Einrichtung einer Betreuung?
Zu unterscheiden ist insoweit zwischen Aufwendungsersatz und Vergütung für den rechtlichen Betreuer einerseits und den Gerichtskosten andererseits.
Aufwendungsersatz
Das Bürgerliche Gesetzbuch sieht grundsätzlich vor, dass die rechtliche Betreuung unentgeltlich geführt wird. Insoweit steht zunächst das Ehrenamt im Vordergrund. Wenn die rechtliche Betreuung von Familie, Lebenspartner, Freunden oder anderen, dem Betroffenen verbundenen Dritten erfolgt, sollte dies auch selbstverständlich sein. Soweit der rechtliche Betreuer Aufwendungen zum Zwecke der Führung der Betreuung zu machen hat, kann er diese vom Betreuten oder der Staatskasse ersetzt verlangen. Möglich ist dabei eine Einzelabrechnung, oder aber eine pauschale Abgeltung, deren Betrag derzeit € 399,- beträgt. Soweit Umfang und Schwierigkeit der rechtlichen Betreuung es rechtfertigen und der Betreute zudem über Vermögen verfügt, kann das Betreuungsgericht im Einzelfall dem rechtlichen Betreuer gleichwohl eine angemessen Vergütung bewilligen.
Vergütung des Berufsbetreuers
Stellt das Betreuungsgericht hingegen bei Einrichtung der rechtlichen Betreuung fest, dass die Betreuung durch den rechtlichen Betreuer berufsmäßig geführt wird, erfolgt die Betreuung ausnahmsweise entgeltlich. Die Höhe der Pauschalvergütung des rechtlichen Betreuers hängt dabei unter anderem davon ab, ob der Betreute mittellos/vermögend ist, oder ob er seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Heim oder nicht in einem Heim hat. Die Einzelheiten zu der Vergütung des rechtlichen Betreuers, der seine Tätigkeit berufsmäßig führt, regelt das Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz VBGV.
Gerichtskosten
Die insoweit entstehenden Gebühren richten sich nach dem Gesetz über die Kosten in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Kostenordnung). Voraussetzung für die Erhebung von Gebühren ist allerdings, dass das Vermögen des Fürsorgebedürftigen nach Abzug der Verbindlichkeiten mehr als € 25.000,- beträgt. Nicht zum Vermögen angerechnet wird zudem der Betrag, der gemäß § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII bei dem Bezug von Sozialhilfe als geschütztes Vermögen angesehen wird. Als Gebühr werden € 5,- für jedes angefangene Kalenderjahr für jede € 5.000,- erhoben, um die das Vermögen den vorgenannten Freibetrag übersteigt, mindestens aber € 50,-.
Zu den Gerichtskosten zählen zudem die gerichtliche Auslagen wie beispielsweise Sachverständigenkosten. Diese werden allerdings nur bei Überschreitung des Vermögensfreibetrags erhoben. In Ausnahmefällen kann hiervon auch abgewichen werden.